Im Juni hat das Bundeskartellamt über seine vorläufige kartellrechtliche Bewertung der 50+1 – Regel und ihrer Anwendungspraxis informiert. Hieraus geht hervor, dass zum einen die Ausnahmen Wolfsburg und Leverkusen gegen das Kartellrecht verstoßen und abgeschafft werden müssen und zum anderen das Konstrukt RB mit seinen beschränkten Mitgliederrechten dem Gedanken der 50+1 Regel zuwider läuft. Bis Mitte Oktober haben die DFL und die beigeladenen Klubs aktuell Zeit, ihre Stellungnahmen abzugeben.
Wir möchten uns im Folgenden mit dem vierten Punkt des Bundeskartellamts beschäftigen: Dem von der DFL nicht durchgesetzten Weisungsrecht des Hannover 96 e.V. gegenüber Martin Kind, dem damaligen Geschäftsführer der H96 KGaA.
Im Rahmen der Abstimmung zum Investorendeal am 11.12.2023 wurde Martin Kind vom H96 e.V. angewiesen, gegen den zur Abstimmung stehenden Deal zu stimmen. Über diese Weisung wurde auch die DFL informiert. Dennoch hat die DFL geheim abstimmen lassen, sodass sich Martin Kind nicht an die Weisung halten musste. Er selbst hat zwar nie geäußert, wie er abgestimmt hat, da aber das Abstimmungsverhalten der 35 weiteren Clubs bekannt geworden ist, ist eindeutig, dass er entgegen der Weisung dem Investoren-Deal zugestimmt haben muss. Das Bundeskartellamt hat diese inkonsistente Anwendung der 50+1 – Regel deutlich kritisiert und der DFL aufgetragen, hier in Zukunft ihre eigenen Regeln stringent umzusetzen. Das Weisungsrecht der Muttervereine wurde somit gestärkt.
In der aktuellen Lizenzierungsordnung (LO) der DFL (Stand: 29.05.2025) existieren weitere Punkte, bei denen wir es zumindest für fragwürdig halten, ob die DFL tatsächlich das Grundprinzip von 50+1 in ihrer eigenen Lizenzierungsordnung bzw. zumindest bei Hannover 96 durchsetzt.
Gemäß §5 Abs.1 der LO muss der Lizenznehmer verschiedene personelle Kriterien erfüllen. So muss es z.B. einen Medienverantwortlichen, einen Veranstaltungsleiter, einen Sicherheitsbeauftragten und mehrere Fanbeauftragte geben. Die Personen gibt es zwar alle im Gesamtkonstrukt Hannover 96, aber eben nicht in der H96 KGaA, also der Profigesellschaft, welche die Bundesligalizenz besitzt und bei welcher die 50+1 – Regel, somit der Einfluss des Muttervereins bzw. von uns Mitgliedern, gilt. Stattdessen wurden diese Personalien ganz bewusst vor einiger Zeit in die S&S bzw. Arenagesellschaft ausgegliedert, also in jene Gesellschaften, in denen keine unternehmensrechtliche Abhängigkeit von der KGaA besteht. Diese wichtigen Personalien wurden somit dem Einflussbereich des Muttervereins und damit von uns allen entzogen. Stattdessen sind diese Personen ausschließlich abhängig vom Gutdünken des Geschäftsführers der S&S und der Arenagesellschaft: Martin Kind.
Wir fordern daher die DFL auf, solche Konstrukte wirkungsvoll zu unterbinden und Auslagerungen ausschließlich in Tochtergesellschaften, nicht aber in Muttergesellschaften der Lizenznehmer zuzulassen. Die Muttervereine müssen auch hier letztendlich entscheiden und uneingeschränkt Einfluss nehmen können.
Fragwürdig in der Umsetzung ist auch der §4 Abs. 10 der LO: Hier wird gefordert, dass der Mutterverein im Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaft, also der KGaA, mehrheitlich vertreten sein soll. Es stellt sich somit die Frage, warum die DFL keinen Handlungsbedarf sieht, obwohl im Aufsichtsrat der H96 KGaA lediglich zwei von acht Personen vom Mutterverein entsendet wurden. Ebenfalls stellt sich die Frage, warum in der LO nicht geregelt ist, wie die Situation im Aufsichtsrat der H96 Management GmbH (bzw. allgemein in Aufsichtsräten der Komplementärgesellschaften) geregelt sein muss. Bekanntlich sind auch hier lediglich zwei von vier Personen Vertreter des Muttervereins, somit nicht in der Mehrheit.
Wir fordern die DFL daher auf, ihre Regularien zu konkretisieren und stringent anzuwenden, sodass die Muttervereine tatsächlich das letzte Wort haben. Die entscheidenden Gremien müssen immer mehrheitlich durch e.V.-Vertreter besetzt sein.
Die ewigen Diskussionen um 50+1 müssen ein Ende haben, Missverhältnisse gehören schnellstmöglich aufgearbeitet und die Regel als Basis des deutschen Fußballs gestärkt.
50+1 ausnahmslos umsetzen!
Hannovereint, 21.08.2025
Exkurs zum Weisungsrecht:
Bei Hannover 96 besteht im entscheidenden Aufsichtsrat der H96 Management GmbH ein Patt (2:2) zwischen Kapitalseite und Mutterverein. Hannover 96 fällt dennoch unter die 50+1 – Regelung, weil ein uneingeschränktes Weisungsrecht des Muttervereins ggü. der Geschäftsführung der Profifußballfirma (H96 KGaA) besteht. Hierauf hat die DFL in Pressemitteilungen (u.a. https://www.dfl.de/de/aktuelles/keine-sonderregelung/) eindeutig hingewiesen, auch das Bundeskartellamt hat dieses Weisungsrecht nicht in Abrede gestellt.
Exkurs zur Struktur bei Hannover 96:
Allgemein bekannt sein dürfte, dass der Profifußball in die H96 KGaA ausgegliedert ist und es zusätzlich weitere Firmen im Konstrukt H96 gibt, z.B. die Arenagesellschaft, welche das Niedersachsenstadion verwaltet, und die H96 Sales & Service (S&S), welche gemäß Selbstbeschreibung auf der 96-Homepage „eine Dienstleisterfunktion“ übernimmt, also z.B. Ticketing und Merchandising organisiert. Der Haken: Beide Firmen sind keine Tochtergesellschafter der H96 KGaA, im Gegenteil: Die H96 S&S ist die Mutterfirma des Konzerns, es gibt somit keine gesellschaftsrechtliche Abhängigkeit des „Dienstleisters“ S&S von der KGaA. Ebenso wenig gibt es eine Gewinnabführung der S&S an die Profifußballgesellschaft KGaA. Auch die Arenagesellschaft ist eine Tochtergesellschaft der S&S, nicht der KGaA. Somit fließen auch hier die Gewinne der Arenagesellschaft nicht an die Profifußballgesellschaft KGaA, sondern an die Konzernmutter S&S also an die Familien Kind, Baum und Roßmann.